Prävalenz der Internetabhängigkeit

Prävalenz der Internetabhängigkeit (PINTA)

Bericht an das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Gesundheit

Pro­jekt­lauf­zeit: 15.11.2010 bis 14.02.2011
För­d­er­kenn­zei­chen: Kapi­tel 15 02 Titel 684 69
För­der­sum­me: 14.580 €

Hans-Jür­gen Rumpf, Chris­ti­an Mey­er, Anja Kreu­zer & Ulrich John

unter Mit­ar­beit von

Ad Ver­mulst (Depart­ment of Deve­lo­p­men­tal Psy­cho­pa­tho­lo­gy, Beha­viou­ral Sci­ence Insti­tu­te, Rad­boud Uni­ver­si­ty Nij­me­gen, Nie­der­lan­de)
Gert-Jan Mer­keerk (IVO Addic­tion Rese­arch Insti­tu­te, Rot­ter­dam, Niederlande)

Lei­tung und Kon­takt­an­schrift: PD Dr. Hans-Jür­gen Rumpf
Uni­ver­si­tät Lübeck, Kli­nik für Psych­ia­trie und Psy­cho­the­ra­pie, Rat­ze­bur­ger Allee 160, 23538
Lübeck, Tel. 0451/5002871, email: hans-juergen.rumpf@psychiatrie.uk-sh.de
Greifs­wald und Lübeck, 31.05.2011

Inhaltsverzeichnis

  1. Zusam­men­fas­sung
  2. Ein­lei­tung
    1.1 Aus­gangs­la­ge des Pro­jek­tes
    1.2 Stand der For­schung
    1.3 Ziel der PIN­TA-Stu­die
    1.4 Pro­jekt­auf­bau, Struk­tu­ren und Verantwortlichkeiten
  3. Erhe­bungs- und Aus­wer­tungs­me­tho­dik
    2.1 Stich­pro­be
    2.1.1 Fest­netz­stich­pro­be
    2.1.2 Mobi­le-Only-Stich­pro­be
    2.2 Erhe­bungs­ver­fah­ren
    2.3 Sta­tis­ti­sche Ana­ly­sen
    2.3.1 Vor­ge­hen bei der Prä­va­lenz­schät­zung
    2.3.2 Gewich­tung der Tele­fon­stich­pro­be und Berück­sich­ti­gung des Stich­pro­ben­de­signs
    bei der Datenauswertung
  4. Durch­füh­rung, Arbeits- und Zeitplan
  5. Ergeb­nis­se
    4.1 Prä­va­lenz­schät­zung auf Basis des Cut-offs
    4.2 Prä­va­lenz­schät­zung auf Basis der Latent-Class-Ana­ly­se (LCA)
  6. Dis­kus­si­on der Ergebnisse
  7. Gen­der Main­strea­ming Aspekte
  8. Gesamt­be­ur­tei­lung
  9. Ver­brei­tung und Öffent­lich­keits­ar­beit der Projektergebnisse
  10. Ver­wer­tung der Pro­jekt­er­geb­nis­se (Nachhaltigkeit/Transferpotential)
  11. Publi­ka­ti­ons­ver­zeich­nis
  12. Lite­ra­tur

0. Zusammenfassung

Hin­ter­grund: Die Daten­la­ge zur Prä­va­lenz der Inter­net­ab­hän­gig­keit ist defi­zi­tär. Die zur Ver­fü­gung ste­hen­den Befun­de für Deutsch­land wei­sen metho­di­sche Män­gel auf, ins­be­son­de­re basie­ren sie nicht auf reprä­sen­ta­ti­ven Stich­pro­ben. Die vor­lie­gen­de Ana­ly­se kann auf eine gro­ße und reprä­sen­ta­ti­ve Stich­pro­be zurück­grei­fen, die im Rah­men der Stu­die Patho­lo­gi­sches Glücks­spie­len und Epi­de­mio­lo­gie (PAGE) rekru­tiert wur­de. In die­sem Pro­jekt wur­de als eine Komor­bi­di­tät auch Inter­net­ab­hän­gig­keit mit Hil­fe der Com­pul­si­ve Inter­net Use Sca­le (CIUS) erfasst.

Metho­de: Die Stich­pro­be bestand aus 15.024 Per­so­nen im Alter von 14–64 Jah­ren, die tele­fo­nisch befragt wur­den und von denen 1.001 ledig­lich über Mobil­te­le­fon und nicht über Fest­netz erreich­bar waren. Neben einem pro­por­tio­na­len Zufalls­stich­pro­ben­an­satz wur­de die Reprä­sen­ta­ti­vi­tät über umfang­rei­che Gewich­tun­gen sicher­ge­stellt. Die Schät­zung der Prä­va­lenz erfolg­te in der PIN­TA-Stu­die über die CIUS, in dem 1. ein Cut-off aus einer ande­ren Stu­die genutzt und 2. auf Basis der CIUS-Items eine Latent Class Ana­ly­se gerech­net wurde.

Ergeb­nis­se: Auf Grund­la­ge des Cut-offs von 28 ergibt sich eine geschätz­te Prä­va­lenz für das Vor­lie­gen einer Inter­net­ab­hän­gig­keit von 1,5% (Frau­en 1,3%, Män­ner 1,7%). Bei Nut­zung der LCA lie­gen die Raten mit 1% (Frau­en 0,8%, Män­ner 1,2%) etwas nied­ri­ger. In der Alters­grup­pe 14–24 steigt hier die Prä­va­lenz auf 2,4% an (Frau­en 2,5% Män­ner 2,5%). Bei Betrach­tung nur der 14–16-Jährigen fin­den sich 4,0% Inter­net­ab­hän­gi­ge (Frau­en 4,9%, Män­ner 3,1%). Der hohe Anteil bei den jun­gen Mäd­chen fin­det sich bei bei­den metho­di­schen Vor­ge­hens­wei­sen. Die auf­fäl­li­gen Mäd­chen und Frau­en (14–24 Jah­re) nut­zen vor­wie­gend Sozia­le Netz­wer­ke im Inter­net (77,1% der Abhän­gi­gen nach LCA) und eher sel­ten Online­spie­le (7,2%). Die jun­gen Män­ner nut­zen eben­falls, aber in gerin­ge­rer Aus­prä­gung Sozia­le Netz­wer­ke (64,8%), aber häu­fi­ger Online­spie­le (33,6%). Mit Hil­fe der LCA lässt sich neben den ver­mut­lich Abhän­gi­gen eine wei­te­re Grup­pe mit pro­ble­ma­ti­schem Inter­net­ge­brauch iden­ti­fi­zie­ren, die ins­ge­samt 4,6% der Befrag­ten betrifft (Frau­en 4,4%, Män­ner 4,9%). Auch hier zei­gen sich hohe Raten bei jun­gen Kohor­ten und dort in beson­de­rem Maße bei weib­li­chen Personen.

Schluss­fol­ge­rung: Im Ver­gleich zu einer frü­he­ren Schät­zung von 3,2% auf Basis einer ande­ren Stu­die fin­den sich bei PINTA nied­ri­ge­re, den­noch bedeut­sa­me Raten. Die Genau­ig­keit der Schät­zung ist auf Basis der reprä­sen­ta­ti­ven Stich­pro­be hier deut­lich ver­bes­sert. Auf­fäl­lig ist die hohe Prä­va­lenz unter Mäd­chen und jun­gen Frau­en. Wei­te­re Stu­di­en mit ver­tie­fen­den Ana­ly­sen sind notwendig.

1. Einleitung

1.1 Ausgangslage des Projektes‌

Die Inter­net­ab­hän­gig­keit ist eine noch wenig erforsch­te Form der stof­fun­ge­bun­de­nen Süch­te. Ihr wird der­zeit viel Auf­merk­sam­keit geschenkt, u. a. weil es sich um eine Pro­ble­ma­tik mit wach­sen­der Bedeu­tung han­deln könn­te. Bis­lang ist unge­klärt, ob (1) Sucht­pro­ble­me bei Inter­net­ge­brauch eine bedeut­sa­me Stö­rung mit kli­ni­scher Rele­vanz dar­stel­len und (2) ob deren Prä­va­lenz in der Bevöl­ke­rung Grö­ßen­ord­nun­gen auf­weist, die bun­des­po­li­ti­sches Han­deln erfor­dern. Bis­her gibt es jedoch auf­grund des Man­gels an hin­rei­chend vali­den Daten kei­ne aus­sa­ge­kräf­ti­gen Unter­su­chun­gen des Problems.

1.2 Stand der Forschung‌

Inter­na­tio­nal fin­den sich Prä­va­lenz­ra­ten zwi­schen 1 und 14% (Chris­ta­kis, 2010). Die Daten zur Häu­fig­keit von Inter­net­ab­hän­gig­keit inter­na­tio­nal und für den deut­schen Raum sind in einem vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Gesund­heit (BMG) geför­der­ten Pro­jekt gesich­tet und zusam­men­ge­fasst wor­den (Peter­sen et al., 2010). Die Autoren kom­men zu dem Schluss, dass eine Viel­zahl von metho­di­schen Pro­ble­men vor­liegt, so dass nur vor­läu­fi­ge Schät­zun­gen mög­lich sind. Die Haupt­pro­ble­me bestehen dar­in, dass es sich in vie­len Fäl­len um Gele­gen­heits­stich­pro­ben han­delt, die kei­nen Anspruch auf Reprä­sen­ta­ti­vi­tät erhe­ben kön­nen, und dass Erhe­bungs­ver­fah­ren ein­ge­setzt wur­den, die nicht vali­diert sind. Es kommt hin­zu, dass der­zeit kei­ne ein­heit­li­che Defi­ni­ti­on von Inter­net­ab­hän­gig­keit vor­liegt (Byun et al., 2009).

Die ein­zi­ge bis­he­ri­ge Stu­die für Deutsch­land, wel­che auch den Bereich der Erwach­se­nen mit erfass­te, stammt von Hahn und Jeru­sa­lem (2001). Auf Basis einer Online-Stich­pro­be von mehr als 7000 Per­so­nen ergibt sich eine Prä­va­lenz von 3,2% über alle Alters­grup­pen, der Anteil steigt bei jün­ge­ren Pro­ban­den. Jun­gen unter 18 Jah­ren waren etwa dop­pelt so häu­fig betrof­fen ver­gli­chen mit weib­li­chen Teil­neh­mern, wel­che jedoch ins­ge­samt in der Stu­die unter­re­prä­sen­tiert waren. Ein gro­ßer Teil der Stu­di­en zur Inter­net­ab­hän­gig­keit bezieht sich jedoch nur auf Jugend­li­che. So berich­tet Meix­ner (2010) auf der Basis einer Befra­gung in Schu­len eine Häu­fig­keit von 1,4% bei 12 bis 25-Jäh­ri­gen. Wei­te­re Stu­di­en beschrän­ken sich auf das Com­pu­ter­spiel­ver­hal­ten. In einer reprä­sen­ta­ti­ven Schü­ler­be­fra­gung fin­det sich hier­für eine Rate von 1,7% (Reh­bein, Klei­mann & Mos­s­le, 2010).
Seit der aus­führ­li­chen Über­sichts­ar­beit von Peter­sen und Tho­ma­si­us (2010) zum patho­lo­gi­schen Inter­net­ge­brauch in Deutsch­land ist eine wei­te­re Erhe­bung an der Uni­ver­si­tät Mainz bei 2.512 Per­so­nen mit Ein­schluss des Erwach­se­nen­al­ters mit dem Ziel einer Prä­va­lenz­schät­zung durch­ge­führt wor­den. Die Daten sind bis­lang jedoch unver­öf­fent­licht.
Zusam­men­ge­fasst ist der­zeit die Daten­la­ge hin­sicht­lich der Häu­fig­keit von pro­ble­ma­ti­schem Inter­net­ge­brauch bzw. Inter­net­ab­hän­gig­keit in Deutsch­land lücken­haft. Die bis­he­ri­gen Stu­di­en haben Teil­po­pu­la­tio­nen unter­sucht oder kei­ne reprä­sen­ta­ti­ve Basis aufgewiesen.

1.3 Ziel der PINTA-Studie‌

Das Ziel von PINTA bestand dar­in, mög­lichst ver­läss­li­che Zah­len für das Aus­maß von Inter­net­ab­hän­gig­keit bereit zu stel­len, indem zwei metho­di­sche Schwä­chen bis­he­ri­ger Stu­di­en über­wun­den wur­den: a) durch den Ein­schluss von sowohl Jugend­li­chen als auch Erwach­se­nen und b) durch die Gewähr­leis­tung von Repräsentativität.Für die Abschät­zung der Inter­net­ab­hän­gig­keit in Deutsch­land wur­de die Ana­ly­se eines Daten­sat­zes der Stu­die „Patho­lo­gi­sches Glücks­spie­len und Epi­de­mio­lo­gie (PAGE)“ durch­ge­führt. In die­ser Stu­die ist Inter­net­ab­hän­gig­keit als eine Komor­bi­di­tät von Patho­lo­gi­schem Glücks­spie­len mit erfasst wor­den. Da PAGE eine reprä­sen­ta­ti­ve und gro­ße Stich­pro­be in der Alters­grup­pe 14–64 bie­tet, ließ sich eine genaue­re Schät­zung der Prä­va­lenz ermöglichen.

1.4 Projektaufbau, Strukturen und Verantwortlichkeiten‌

Die Feder­füh­rung des Pro­jek­tes lag bei der Uni­ver­si­tät Lübeck. Es erfolg­te eine enge Koope­ra­ti­on mit dem Insti­tut für Epi­de­mio­lo­gie und Sozi­al­me­di­zin der Uni­ver­si­täts­me­di­zin in Greifs­wald. Die­ses wur­de struk­tu­rell durch Tele­fon­kon­fe­ren­zen und regel­mä­ßi­ge bila­te­ra­le tele­fo­ni­sche Kon­tak­te sicher gestellt.
Für die Ein­ho­lung von zusätz­li­cher Exper­ti­se auf dem Gebiet der Inter­net­ab­hän­gig­keit konn­te Dr. Gert-Jan Meer­kerk (IVO Addic­tion Rese­arch Insti­tu­te, Rot­ter­dam, Nie­der­lan­de) gewon­nen wer­den. Für sta­tis­ti­sche Ana­ly­sen wur­de das Pro­jekt wei­ter­hin von Dr. Ad A. Ver­mulst (Depart­ment of Deve­lo­p­men­tal Psy­cho­pa­tho­lo­gy, Beha­viou­ral Sci­ence Insti­tu­te, Rad­boud Uni­ver­si­ty Nij­me­gen, Nie­der­lan­de) unter­stützt, der Exper­te für die Berech­nung von Latent Class Ana­ly­sen ist. Zwei wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter wur­den ein­ge­stellt, die bereits auch in der PAGE-Stu­die mit­ge­ar­bei­tet hat­ten, so dass hier Syn­er­gien her­ge­stellt wer­den konnten.

2. Erhebungs- und Auswertungsmethodik‌

Es wur­de eine Ana­ly­se der Daten des PAGE-Pro­jek­tes durch­ge­führt. PAGE wur­de im Rah­men des Glücks­spiel­staats­ver­tra­ges von den Bun­des­län­dern geför­dert und vom 01.12.2009 bis 28.02.2011 durch­ge­führt. Die Metho­dik und ers­te Ergeb­nis­se lie­gen in Form eines Abschluss­be­rich­tes vor (Mey­er et al., 2011). Der mul­ti­moda­le Rekru­tie­rungs­an­satz von PAGE beinhal­te­te u.a. eine tele­fo­ni­sche bun­des­wei­te Befra­gung. Die­se bil­det die Grund­la­ge für die in PINTA durch­ge­führ­te Datenanalyse.

2.1 Stichprobe‌

Es wur­den zwei Stich­pro­ben für die tele­fo­ni­sche Befra­gung gezo­gen. Neben einer Zufalls­aus­wahl an Fest­netz­num­mern wur­den eben­falls Per­so­nen rekru­tiert, die nur über Mobil­te­le­fo­ne erreich­bar sind. Die­ser Strang ist von beson­de­rer Bedeu­tung, da der Anteil der Per­so­nen, die nur über die­sen Weg erreich­bar sind, bedeut­sam ist und wei­ter steigt. Es erge­ben sich Hin­wei­se, dass es sich um eine Popu­la­ti­on han­delt, die spe­zi­fi­sche Merk­ma­le auf­weist. So ist z.B. die Prä­va­lenz Patho­lo­gi­schen Glücks­spie­lens in die­ser Grup­pe erhöht (Mey­er et al., 2011). Mit allen Teil­neh­mern wur­de ein im Durch­schnitt 15-minü­ti­ges com­pu­ter­ge­stütz­tes Tele­fon-Inter­view (CATI) von geschul­ten Inter­view­ern durchgeführt.

2.1.1 Festnetzstichprobe‌

Die Stich­pro­ben­zie­hung erfolg­te in einem mehr­stu­fi­gen Vor­ge­hen durch infas. Eine detail­lier­te Beschrei­bung ist im ent­spre­chen­den Metho­den­be­richt zu fin­den (Hess, Stein­we­de, Gil­berg & Kleud­gen, 2011), der auf Anfra­ge von den Autoren des vor­lie­gen­den Berichts bereit gestellt wird. In der ers­ten Stu­fe wur­den Pri­ma­ry Sam­pling Units (PSU) gezo­gen. Die Aus­wahl­wahr­schein­lich­keit der Gemein­den (Sam­ple Points) erfolg­te pro­por­tio­nal zur Wohn­be­völ­ke­rung in der Ziel­grup­pe. Ins­ge­samt wur­den 53 Sam­ple Points in 52 Gemein­den bestimmt (Ber­lin war mit zwei Sam­ple Points ver­tre­ten). Für die zufäl­li­ge Aus­wahl der PSUs wur­den Stra­ti­fi­zie­run­gen nach den Bun­des­län­dern, Regie­rungs­be­zir­ken und Krei­sen sowie der Spiel­au­to­ma­ten­dich­te vor­ge­nom­men. Die aus­ge­wähl­ten Gemein­den sind in Abbil­dung 1 dargestellt.

In einem zwei­ten Schritt wur­den die Haus­hal­te anhand von Tele­fon­num­mern bestimmt. Die­se Secon­da­ry Sam­pling Units (SSUs) wur­den den Gemein­den über die Vor­wah­len zuge­ord­net. In jeder Gemein­de wur­den 5.800 Tele­fon­num­mern für die Brut­to­stich­pro­be gezogen.Im drit­ten Schritt wur­den die Ziel­per­so­nen bestimmt (Third Sam­pling Unit, TSU). Gab es mehr als eine Per­son, die in die Ziel­grup­pe (Alter 14 bis 64 Jah­re) gehör­te, wur­de jene Per­son gewählt, die zuletzt Geburts­tag hatte.

Abbil­dung 1: Sam­ple Points (dar­ge­stellt durch blaue Mar­kie­run­gen; rosa Mar­kie­run­gen stel­len The­ra­pie­ein­rich­tun­gen für Patho­lo­gi­sches Glücks­spie­len dar)

In der Zeit vom 7. Juni bis zum 22. Okto­ber 2010 wur­den ins­ge­samt 14.022 tele­fo­ni­sche Inter­views aus der Fest­netz­stich­pro­be durch­ge­führt. Von 26.736 Haus­hal­ten, in denen eine Ziel­per­son im Alter von 14 bis 64 Jah­ren leb­te, konn­te mit 52,4% der Ziel­per­so­nen nach Anwen­dung der Last-Bir­th­day-Fra­ge ein Inter­view durch­ge­führt wer­den, 38,9% ver­wei­ger­ten die Teil­nah­me an der Befra­gung. 8,7% der Ziel­per­so­nen nah­men nicht teil, weil die Kon­takt­per­son den Zugang ver­wei­ger­te (4,6%), weil sie zu schwer erkrankt waren für eine Befra­gung (1,4%) oder weil sie nicht erreich­bar waren (2,7%; Hess & Stein­we­de, 2011).

2.1.2 Mobile-Only-Stichprobe‌

Die Zie­hung der Stich­pro­be von Per­so­nen, die nicht über das Fest­netz, son­dern nur über Mobil­te­le­fon erreich­bar sind, erfolg­te wegen der nicht rea­li­sier­ba­ren regio­na­len Zuord­nung bun­des­weit. Die Ziel­grup­pe waren erneut Per­so­nen im Alter von 14 bis 64 Jah­ren. Über ein Scree­ning wur­den aus den per Zufall gezo­ge­nen Tele­fon­num­mern nur jene Per­so­nen aus­ge­wählt, die aus­schließ­lich über ein mobi­les Tele­fon erreich­bar sind.
Ins­ge­samt wur­den zwi­schen dem 22. Novem­ber 2010 und dem 1. Febru­ar 2011 in der Mobi­le-Only-Stich­pro­be 1.001 tele­fo­ni­sche Inter­views rea­li­siert. Dazu muss­te bei 13.273 Per­so­nen ein Scree­ning auf allei­ni­ge Erreich­bar­keit per Mobil­te­le­fon durch­ge­führt wer­den. Von den 1.767 ermit­tel­ten poten­zi­el­len Ziel­per­so­nen ver­wei­ger­ten 747 Per­so­nen (42,3%) die­Teil­nah­me. 7 Per­so­nen (0,4%) waren auf­grund von Erkran­kun­gen oder Behin­de­run­gen nicht in der Lage, am Tele­fon­in­ter­view teil­zu­neh­men. 12 Per­so­nen (0,7%) schie­den wegen unzu­rei­chen­der Deutsch­kennt­nis­se aus (Hess & Stein­we­de, 2011).

2.2 Erhebungsverfahren‌

Im Mit­tel­punkt der Prä­va­lenz­schät­zung für patho­lo­gi­schen Inter­net­ge­brauch stand die Com­pul­si­ve Inter­net Use Sca­le (CIUS; Meer­kerk, Van Den Eijn­den, Ver­mulst & Gar­ret­sen, 2009), ein Fra­ge­bo­gen­ver­fah­ren zur Erfas­sung von Merk­ma­len der Inter­net­ab­hän­gig­keit. Ihre 14 Items haben ein fünf­stu­fi­ges Ant­wort­for­mat (Abbil­dung 2), wobei zwi­schen 0 und 56 Punk­ten erreicht wer­den kön­nen. Das Ver­fah­ren wur­de in meh­re­ren Teil­stich­pro­ben ent­wi­ckelt und zeigt durch­weg eine ein­fak­to­ri­el­le Struk­tur. Es lie­gen dazu auch Daten aus der All­ge­mein­be­völ­ke­rung vor, was für die Wahl die­ses Ver­fah­rens zum Ein­satz in epi­de­mio­lo­gi­schen Sur­veys spricht. Das Cron­bachs Alpha als Maß für die inter­ne Kon­sis­tenz betrug .89 und weist auf eine gute Relia­bi­li­tät hin. Es zeig­te sich eine kon­ver­gen­te Vali­di­tät mit ähn­li­chen Ver­fah­ren. Der­zeit liegt noch kein emp­foh­le­ner Cut-off auf brei­ter Daten­ba­sis vor. Ers­te Hin­wei­se legen einen Schwel­len­wert von 28 nahe (s. 3.3.1; Van Rooij, Schoe­n­ma­kers, Ver­mulst, Van Den Eijn­den & Van De Mheen, 2011).

Abbil­dung 2: Items des CIUS (Ant­wort­ka­te­go­rien: nie, sel­ten, manch­mal, häu­fig, sehr häufig)

  1. Wie häu­fig fin­den Sie es schwie­rig, mit dem Inter­net­ge­brauch auf­zu­hö­ren, wenn Sie online sind?
  2. Wie häu­fig set­zen Sie Ihren Inter­net­ge­brauch fort, obwohl Sie eigent­lich auf­hö­ren wollten?
  3. Wie häu­fig sagen Ihnen ande­re Men­schen, z.B. Ihr Part­ner, Kin­der, Eltern oder Freun­de, dass Sie
  4. das Inter­net weni­ger nut­zen sollten?
  5. Wie häu­fig bevor­zu­gen Sie das Inter­net statt Zeit mit ande­ren zu ver­brin­gen, z.B. mit Ihrem Partner,
  6. Kin­dern, Eltern, Freunden?
  7. Wie häu­fig schla­fen Sie zu wenig wegen des Internets?
  8. Wie häu­fig den­ken Sie an das Inter­net, auch wenn Sie gera­de nicht online sind?
  9. Wie oft freu­en Sie sich bereits auf Ihre nächs­te Internetsitzung?
  10. Wie häu­fig den­ken Sie dar­über nach, dass Sie weni­ger Zeit im Inter­net ver­brin­gen sollten?
  11. Wie häu­fig haben Sie erfolg­los ver­sucht, weni­ger Zeit im Inter­net zu verbringen?
  12. Wie häu­fig erle­di­gen Sie Ihre Auf­ga­ben zu Hau­se has­tig, damit Sie frü­her ins Inter­net können?
  13. Wie häu­fig ver­nach­läs­si­gen Sie Ihre All­tags­ver­pflich­tun­gen (Arbeit, Schu­le, Fami­li­en­le­ben), weil
  14. Sie lie­ber ins Inter­net gehen?
  15. Wie häu­fig gehen Sie ins Inter­net, wenn Sie sich nie­der­ge­schla­gen fühlen?
  16. Wie häu­fig nut­zen Sie das Inter­net, um Ihren Sor­gen zu ent­kom­men oder um sich von einer negativen
  17. Stim­mung zu entlasten?
  18. Wie häu­fig füh­len Sie sich unru­hig, frus­triert oder gereizt, wenn Sie das Inter­net nicht nut­zen können?

Allen Per­so­nen, die anga­ben, das Inter­net für pri­va­te Zwe­cke ent­we­der min­des­tens eine Stun­de an einem Wochen­tag oder einem Tag am Wochen­en­de genutzt zu haben, wur­den die Fra­gen der CIUS vor­ge­legt. Das Ver­fah­ren wur­de zusam­men mit ande­ren Erhe­bungs­in­stru­men­ten ein­ge­setzt. Inhalt­lich im Vor­der­grund stand dabei die Erfas­sung von Glücks­spiel­ver­hal­ten und Patho­lo­gi­schem Glücks­spie­len. In der Rei­hen­fol­ge der Dar­bie­tung wur­de zunächst ein Ver­fah­ren zur Erfas­sung von Social Capi­tal ein­ge­setzt, gefolgt von CIUS, dem Inter­view zum Glücks­spie­len und sozio­de­mo­gra­fi­schen Fra­gen. Die Erfas­sung von Social Capi­tal erfolg­te über 12 Fra­gen zur Teil­nah­me an sozia­len Ereig­nis­sen in den letz­ten 12 Mona­ten (Kino, Sport­ver­an­stal­tung, Kunst­aus­stel­lung, Wei­ter­bil­dung etc.; Han­son, Öster­gren, Elm­stahl, Isaacs­son & Ran­s­tam, 1997). Das Ver­fah­ren beinhal­tet neben die­sen Anga­ben zu dem Kon­strukt „Social Par­ti­ci­pa­ti­on“ auch eine Fra­ge dahin­ge­hend, inwie­weit das Gefühl besteht, im All­ge­mei­nen ande­ren Men­schen ver­trau­en zu kön­nen („Trust“). Patho­lo­gi­sches Glücks­spie­len wur­de mit der Gamb­ling Sek­ti­on des Com­po­si­te Inter­na­tio­nal Dia­gnostic Inter­view (CIDI) erfasst (WHO, 2009). Wei­ter­hin wur­de erfragt, mit wel­chen Akti­vi­tä­ten mehr als 50% der Zeit im Inter­net ver­bracht wird. Die Frei­text­an­ga­ben wur­den zu Ober­ka­te­go­rien zusam­men­ge­fasst. Bei Mehr­fach­an­ga­ben wur­de die jeweils ers­te Nen­nung ausgewertet.

2.3 Statistische Analysen‌

2.3.1 Vorgehen bei der Prävalenzschätzung‌

Die Schät­zung der Häu­fig­keit von Inter­net­ab­hän­gig­keit erfolg­te über zwei Wege:

  1. Es wur­de ein Cut-off für den ein­ge­setz­ten Scree­ning­fra­ge­bo­gen CIUS genutzt, wel­cher aus einer ande­ren Stich­pro­be ent­nom­men wur­de (Van Rooij et al., 2011). Die­ser Grenz­wert stammt aus zwei Stich­pro­ben von 13- bis16-jäh­ri­gen Schü­lern (n=1.572/1.476). Ziel der Stu­die war die Ermitt­lung einer auf­fäl­li­gen Grup­pe, die eine Abhän­gig­keit für Online-Video­spie­le auf­weist. Mit­tels einer Latent Class Ana­ly­se (LCA) auf Basis der CIUS wur­de eine sol­che Grup­pe iden­ti­fi­ziert. Ein Cut-off von 28 oder mehr Punk­ten erwies sich als güns­tig. Mit Hil­fe die­ses Schwel­len­wer­tes konn­te eine gro­be Schät­zung der Inter­net­ab­hän­gig­keit in PAGE vor­ge­nom­men werden.
  2. Es wur­de mit Hil­fe eines moder­nen und für unse­ren Zweck beson­ders auf­schluss­rei­chen sta­tis­ti­schen Ver­fah­rens, der Latent Class Ana­ly­se (LCA), eine Grup­pe iden­ti­fi­ziert, wel­che auf­grund ihres Ant­wort­mus­ters als wahr­schein­lich abhän­gig ange­se­hen wer­den kann.LCA ist eine Metho­de zur Iden­ti­fi­ka­ti­on von bedeut­sa­men Grup­pen von Per­so­nen, deren Ant­wort­ver­hal­ten ähn­lich ist. Die Berech­nung erfolg­te mit Mplus 5.1. (Muthén & Muthén, 1998). Zur Ermitt­lung einer Unter­grup­pe, wel­che Merk­ma­le einer Inter­net­ab­hän­gig­keit auf­weist, wur­den meh­re­re Model­le gerech­net und eine Rei­he von good­ness-of-fit-Maßen genutzt, um ein Modell aus­zu­wäh­len. Zu die­sen Maßen gehör­ten: Baye­si­an Infor­ma­ti­on Cri­ter­ion (BIC)-value (gerin­ge Wer­te wei­sen auf bes­se­re Anpas­sung hin), Entro­py-Maß (höhe­re­Wer­te wei­sen auf bes­se­re Anpas­sung hin), Vuong-Lo-Men­dell-Rubin Likeli­hood Ratio Test und adjus­ted Lo-Men­dell-Rubin-Likeli­hood Ratio Test (ein p‑Wert < .05 zeigt an, dass das Modell bes­ser als das vor­he­ri­ge ist). Der Boot­strap­ped-Likeli­hood-Ratio-Test (BLRT) war nicht anwend­bar, da die­ser nicht mit gewich­te­ten Daten berech­net wer­den kann. Ein wei­te­res wich­ti­ges Kri­te­ri­um ist die Brauch­bar­keit des Modells auf­grund von theo­re­ti­schen oder prak­ti­schen Erwä­gun­gen. Eine Über­prü­fung der Cha­rak­te­ris­ti­ken der Klas­sen erfolgt über infe­renz­sta­tis­ti­sche Ver­glei­che mit den übri­gen Klas­sen. Die LCA-Berech­nun­gen wur­den von Dr. Ad A. Ver­mulst, Depart­ment of Deve­lo­p­men­tal Psy­cho­pa­tho­lo­gy, Beha­viou­ral Sci­ence Insti­tu­te, Rad­boud Uni­ver­si­ty Nij­me­gen, Hol­land, durchgeführt.

2.3.2 Gewichtung der Telefonstichprobe und Berücksichtigung des Stichprobendesigns bei der Datenauswertung‌

Alle Daten wur­den unter Nut­zung von Stich­pro­ben­ge­wich­ten aus­ge­wer­tet. Da auf Grund­la­ge der Tele­fon­stich­pro­be Schät­zun­gen bezo­gen auf die bun­des­deut­sche Bevöl­ke­rung vor­ge­nom­men wer­den soll­ten, wur­de ein beson­de­res Augen­merk auf die Ent­wick­lung adäqua­ter Gewich­tungs­va­ria­blen gelegt. Die Ent­wick­lung der Gewich­te erfolg­te jeweils sepa­rat für die Fest­netz- und die Mobil­funk­stich­pro­be. Zunächst wur­den soge­nann­te Design­ge­wich­te zum Aus­gleich unter­schied­li­cher Aus­wahl­wahr­schein­lich­kei­ten durch das Stich­pro­ben­de­sign bestimmt. Hier­bei wur­den ver­zer­ren­de Effek­te des mehr­stu­fi­gen Zie­hungs­ver­fah­rens aus­ge­gli­chen. Z. B. haben etwa Haus­hal­te, die über meh­re­re Tele­fon­an­schlüs­se zu errei­chen sind, eine höhe­re Aus­wahl­wahr­schein­lich­keit als Haus­hal­te mit nur einem Anschluss. Men­schen hin­ge­gen, die in Mehr­per­so­nen­haus­hal­ten leben, haben gegen­über Per­so­nen in Sin­gle­haus­hal­ten design­be­dingt eine gerin­ge­re Aus­wahl­wahr­schein­lich­keit, da jeweils nur eine Per­son im gesetz­ten Lebens­al­ters­be­reich je Haus­halt befragt wur­de. Wei­ter­hin waren abschlie­ßend die Mobil­funk- und die Fest­netz­te­le­fon­stich­pro­be zusam­men­zu­füh­ren. Hier­bei muss­ten durch die Gewich­tung die in der Bevöl­ke­rung vor­lie­gen­den Antei­le der Per­so­nen mit Fest­netz­an­schluss bzw. aus­schließ­li­cher Erreich­bar­keit über einen Mobil­funk­an­schluss („Mobi­le-Onlys“) in der Stich­pro­be nach­ge­bil­det wer­den. Auf Grund­la­ge aktu­el­ler Befun­de wird ein Anteil von „Mobi­le-Onlys“ in der 14- bis 64-jäh­ri­gen Bevöl­ke­rung von 14% (infas Sozi­al­for­schung; unver­öf­fent­lich­te Daten) angenommen.

Ein zwei­ter Schritt der Gewich­tung bestand im Aus­gleich der unter­schied­li­chen Teil­nah­me­be­reit­schaft in ver­schie­de­nen sozio­de­mo­gra­fisch defi­nier­ten Bevöl­ke­rungs­grup­pen auf Grund­la­ge vor­lie­gen­der Rand­ver­tei­lun­gen aus amt­li­chen Sta­tis­ti­ken (Redress­ment). Durch die nach Vor­be­fun­den bedeut­sa­me Asso­zia­ti­on von Glücks­spiel­pro­ble­men mit ver­schie­de­nen Sozi­al­in­di­ka­to­ren war es dabei zur Ver­mei­dung ver­zerr­ter Prä­va­lenz­schät­zun­gen von gro­ßer Bedeu­tung, neben Alters- und Geschlechts­ver­tei­lun­gen auch die Merk­ma­le Schul­bil­dung, Arbeits­lo­sig­keit und Migra­ti­ons­hin­ter­grund an die Grund­ge­samt­heit anzu­pas­sen. Grund­sätz­lich geht mit der Erwei­te­rung der Merk­ma­le für das Redress­ment eine Reduk­ti­on der effek­ti­ven Fall­zahl der Stich­pro­be und damit eine Erhö­hung des Stich­pro­ben­feh­lers ein­her. Somit ist bei der Aus­wahl berück­sich­tig­ter Merk­ma­le eine Abwä­gung zwi­schen mög­li­cher Ver­zer­rung und der Genau­ig­keit der Punkt­schät­zun­gen zu tref­fen. Vor die­sem Hin­ter­grund wur­de den fol­gen­den Ana­ly­sen eine Gewich­tung zugrun­de­ge­legt, die die genann­ten Sozi­al­in­di­ka­to­ren, nicht aber das Merk­mal poli­ti­sche Orts­grö­ßen­klas­se der Wohn­ge­mein­de beinhal­ten. Eine Ver­zer­rung der Ergeb­nis­se ist hier­durch kaum zu erwar­ten, da die poli­ti­sche Orts­grö­ßen­klas­se der Wohn­ge­mein­de bereits als Stra­ti­fi­zie­rungs­merk­mal bei der Gemein­de-Aus­wahl berück­sich­tigt wur­de und kein wesent­li­cher Zusam­men­hang mit dem Haupt­un­ter­su­chungs­merk­mal Glücks­spiel­pro­ble­me anzu­neh­men ist.
Für die infe­renz­sta­tis­ti­sche Absi­che­rung der im Fol­gen­den dar­ge­stell­ten Befun­de wur­de das Stich­pro­ben­de­sign bei der Schät­zung der Stich­pro­ben­feh­ler, soweit metho­disch mög­lich, berück­sich­tigt, da eine Ana­ly­se mit Stan­dard­ver­fah­ren, die eine ein­fa­che Zufalls­stich­pro­be unter­stel­len, zu wesent­li­chen Ver­zer­run­gen füh­ren würde.

3. Durchführung, Arbeits- und Zeitplan‌

Für die Durch­füh­rung des Pro­jek­tes waren drei Mona­te vor­ge­se­hen. Zu den zu leis­ten­den Arbei­ten gehör­ten die Sich­tung der Lite­ra­tur, die Auf­be­rei­tung der Daten­sät­ze, die Daten­ana­ly­sen, Publi­ka­ti­on und Berich­t­er­stel­lung. Aus zwei Grün­den kam es zu einer Ver­zö­ge­rung der Arbei­ten: 1. Für die auf­wän­di­ge sta­tis­ti­sche Pro­ze­dur anhand der LCA in Zusam­men­ar­beit mit den For­schern aus den Nie­der­lan­den bedurf­te es eines höhe­ren Zeit­auf­wands, ins­be­son­de­re auch für die jewei­li­gen Abspra­chen und inhalt­li­chen Dis­kus­sio­nen des Vor­ge­hens und der Ergeb­nis­se. 2. In der PAGE-Stu­die wur­de als Teil der tele­fo­ni­schen Erhe­bung eine Ein­be­zie­hung von Per­so­nen, die nur über mobi­les Tele­fon erreich­bar sind, ermög­licht. Die ent­spre­chen­den Erhe­bun­gen wur­den erst am 01.02.2011 abge­schlos­sen. Es wur­de jedoch ent­schie­den, die­se Teil­stich­pro­be zu nut­zen und eben­so in die Ana­ly­sen ein­zu­be­zie­hen, weil sie eine wesent­li­che Ver­bes­se­rung der Metho­dik dar­stellt. Zusätz­lich zu den geplan­ten Arbei­ten haben wir so die Mög­lich­keit genutzt, Leis­tun­gen über den Rah­men der Res­sour­cen in die­sem Pro­jekt zu erbrin­gen. Die­se Aus­wei­tung unse­rer Leis­tun­gen hat die Qua­li­tät der Ergeb­nis­se deut­lich ver­bes­sert. Die Arbei­ten wur­den nach För­der­en­de aus eige­nen Mit­teln durch die Pro­jekt­lei­tung fort­ge­führt, so dass sie bis zur Berich­t­er­stel­lung abge­schlos­sen waren. Eine Publi­ka­ti­on der Resul­ta­te in einer Fach­zeit­schrift steht auf­grund der Ver­zö­ge­run­gen noch aus.

4. Ergebnisse‌

Von den ins­ge­samt 15.023 befrag­ten Per­so­nen gaben 8.130 (54,1%) an, das Inter­net für pri­va­te Zwe­cke ent­we­der min­des­tens eine Stun­de an einem Wochen­tag oder einem Tag amWo­chen­en­de genutzt zu haben und erhiel­ten die Fra­gen der CIUS. Alle fol­gen­den Ana­ly­sen sind auf Basis gewich­te­ter Daten durch­ge­führt wor­den, es sei denn, es ist anders angemerkt.

4.1 Prävalenzschätzung auf Basis des Cut-offs‌

Legt man, wie in der Metho­dik beschrie­ben, den Cut-off von 28 bei der CIUS zugrun­de, ergibt sich für die Gesamt­stich­pro­be der 14- bis 64-Jäh­ri­gen eine geschätz­te Prä­va­lenz für wahr­schein­li­che Inter­net­ab­hän­gig­keit von 1,5% bezo­gen auf alle Teil­neh­mer (Pro­ban­den, die auf­grund des Fil­ters zur Inter­net­nut­zung nicht befragt wur­den, gel­ten als unauf­fäl­lig). Befun­de nach Geschlecht und die jewei­li­gen Kon­fi­denz­in­ter­val­le fin­den sich in Tabel­le 1.

Tabel­le 1: Prä­va­lenz­schät­zung auf Basis des Cut-off 28 des CIUS, Alter 14–64 (n=15.023)


Prä­va­lenz

(%)

Kon­fi­denz­in­ter­vall

(%)

Gesamt

1,5

1,3–1,7

Frau­en

1,3

1,0–1,7

Män­ner

1,7

1,3–2,1

Bei getrenn­ter Betrach­tung der jün­ge­ren Alters­grup­pe erge­ben sich höhe­re Prä­va­lenz­zah­len und eine Ver­schie­bung inner­halb der Geschlech­ter zu höhe­ren Antei­len bei den weib­li­chen Teil­neh­mern (Tabel­len 2 und 3).

Tabel­le 2: Prä­va­lenz­schät­zung auf Basis des Cut-off 28 des CIUS, Alter 14–24 (n=2.937)


Prä­va­lenz

(%)

Kon­fi­denz­in­ter­vall

(%)

Gesamt

3,8

3,0–4,6

Frau­en

4,5

3,3–6,0

Män­ner

3,0

2,3–4,3

Tabel­le 3: Prä­va­lenz­schät­zung auf Basis des Cut-off 28 des CIUS, Alter 14–16 (n=693)


Prä­va­lenz

(%)

Kon­fi­denz­in­ter­vall

(%)

Gesamt

6,3

4,6–8,4

Frau­en

8,6

5,5–13,0

Män­ner

4,1

2,6–6,3

Betrach­tet man die Grup­pe der 14- bis 24-Jäh­ri­gen nach Geschlech­tern getrennt, so ergibt bei den Auf­fäl­li­gen in der CIUS (ver­mu­te­te Inter­net­ab­hän­gi­ge), dass weib­li­che Teil­neh­mer als zuerst genann­te Haupt­ak­ti­vi­tät im Inter­net vor­wie­gend Sozia­le Netz­wer­ke ange­ben (81,4%; Tabel­le 4). Das trifft in hohem Maße auch für die männ­li­chen Teil­neh­mer zu (61,4%), die jedoch im Gegen­satz zu den Mäd­chen und Frau­en auch häu­fig Online­spie­le benen­nen (28,9%). Ins­ge­samt unter­schei­den sich die Prä­fe­ren­zen signi­fi­kant von­ein­an­der (<0,001).

Tabel­le 4: Ers­te Nen­nung bei den Haupt­ak­ti­vi­tä­ten im Inter­net der 14–24-Jährigen mit auf­fäl­li­gem CIUS-Ergeb­nis (28 oder mehr Punk­te) nach Geschlecht


Akti­vi­tä­ten online

Häu­fig­keit (%)

Kon­fi­denz­in­ter­vall

Weib­lich

Sozia­le Netzwerke

81,4

64,4–91,4

E‑Mail

12,7

4,7–30,2

Online­spie­le

3,8

3,3–17,7

Unter­hal­tung (Musik, Fil­me etc.)

2,1

0,3–14,3

Männ­lich

Sozia­le Netzwerke

61,4

43,5–76,7

Online­spie­le

28,9

15,7–47,1

Infor­mie­ren

3,5

0,4–23,0

E‑Mail

2,5

0,4–15,6

Einkaufen/Verkaufen

2,4

0,3–16,8

Inter­net­te­le­fo­nie

1,2

0,1–9,0

4.2 Prävalenzschätzung auf Basis der Latent-Class-Analyse (LCA)‌

Es wur­den Latent Class Model­le mit 2 bis 7 Klas­sen gerech­net. Bei den Model­len mit 5 und 6 Klas­sen zeig­te sich eine iden­tisch gro­ße Grup­pe, wel­che Extrem­wer­te in der CIUS auf­wies. Gegen­über der 5‑Klas­sen-Lösung zeig­te die 6‑Klas­sen-Lösung die bes­ser Modell­an­pas­sung (BIC: 22417 vs. 22490; Entro­py 0,769 vs. 0,762). Die 6 Grup­pen über­schnei­den sich nicht, wie aus Abbil­dung 2 zu ent­neh­men ist.

Abbil­dung 2: Box­plot der CIUS-Sum­men­wer­te für die 6 Klassen

Eine wei­te­re Ana­ly­se der 6‑Klas­sen-Lösung zeig­te Merk­ma­le auf, wel­che für das Vor­lie­gen einer Grup­pe spricht, die als abhän­gig ange­se­hen wer­den kann (Klas­se 6). Eine zwei­te Grup­pe (Klas­se 5) weist ver­mut­lich ein erhöh­tes Risi­ko im Sin­ne eines pro­ble­ma­ti­schen Inter­net­ge­brauchs auf. Die ent­spre­chen­den Befun­de wer­den im Fol­gen­den benannt: Hier­bei zeigt sich, dass die Klas­se 6 höhe­re CIUS-Wer­te auf­weist. Dies ist für die Klas­se 5 in abge­schwäch­ter Form eben­falls beob­acht­bar (Tabel­le 5). Glei­ches gilt für die Anzahl der Stun­den, die inner­halb der Woche im Inter­net ver­bracht wer­den. Ins­ge­samt zeigt die Klas­se 6 ein gerin­ge­res Aus­maß an sozia­len Akti­vi­tä­ten sowie sozia­lem Ver­trau­en auf. Klas­se 5 ist die jüngs­te der Grup­pen, gefolgt von Klas­se 6.

Tabel­le 5: Merk­ma­le der 6 Klas­sen: Mit­tel­wer­te (Stan­dard­feh­ler)

Klas­se

CIUS-

Mit­tel­wert

Stun­den im In-

ternet/Woche

Sozia­le Teil-

habe

Sozia­les

Ver­trau­en

Alter

1

15,4 (0,03)

8,7 (0,19)

5,7 (0,07)

2,6 (0,02)

40,4 (0,34)

2

19,4 (0,03)

11,4 (0,34)

5,8 (0,74)

2,7 (0,02)

36,8 (0,44)

3

23,7 (0,03)

13,3 (0,33)

5,7 (0,73)

2,7 (0,02)

33,8 (0,41)

4

29, 6 (0,06)

16,0 (0,42)

5,5 (0,08)

2,7 (0,02)

31,1 (0,51)

5

37,3 (0,13)

22,5 (0,69)

5,3 (0,13)

2,7 (0,03)

27,6 (0,47)

6

48,7 (0,53)

29,2 (1,64)

5,0 (0,21)

2,5 (0,63)

30,0 (1,08)

Signi­fi­kanz

℗*

<0,001

<0,001

<0,001

<0,001

<0,001

*ANOVA (CIUS und Alter) bzw. Krus­kal-Wal­lis‑H Test auf Basis unge­wich­te­ter Daten

Für die Schät­zung der Prä­va­lenz wird im Fol­gen­den das Vor­kom­men der Klas­se 6 in der Gesamt­po­pu­la­ti­on sowie in Teil­stich­pro­ben herangezogen.

Dar­aus ergibt sich für die Gesamt­stich­pro­be der 14- bis 64-Jäh­ri­gen eine geschätz­te Prä­va­lenz für wahr­schein­li­che Inter­net­ab­hän­gig­keit von 1,0% bezo­gen auf alle Teil­neh­mer. Befun­de nach Geschlecht und die jewei­li­gen Kon­fi­denz­in­ter­val­le fin­den sich in Tabel­le 6.

Tabel­le 6: Prä­va­lenz­schät­zung der Inter­net­ab­hän­gig­keit auf Basis der LCA (Häu­fig­keit von Klas­se 6), Alter 14–64 (n=15.023)


Prä­va­lenz

(%)

Kon­fi­denz­in­ter­vall

(%)

Gesamt

1,0

0,9–1,2

Frau­en

0,8

0,6–1,1

Män­ner

1,2

1,0–1,6

Bei getrenn­ter Betrach­tung der jün­ge­ren Alters­grup­pe erge­ben sich auch bei die­ser Her­an­ge­hens­wei­se höhe­re Prä­va­lenz­ra­ten und es glei­chen sich zunächst die Prä­va­len­zen hin­sicht­lich der Geschlech­ter an. Bei den 14- bis 16-Jäh­ri­gen liegt die Prä­va­lenz bei weib­li­chen Teil­neh­mern höher (Tabel­len 7 und 8).

Tabel­le 7: Prä­va­lenz­schät­zung der Inter­net­ab­hän­gig­keit auf Basis der LCA (Häu­fig­keit von Klas­se 6), Alter 14–24 (n=2.937)


Prä­va­lenz

(%)

Kon­fi­denz­in­ter­vall

(%)

Gesamt

2,4

1,9–3,1

Frau­en

2,4

1,6–3,5

Män­ner

2,5

1,7–3,5

Tabel­le 8: Prä­va­lenz­schät­zung der Inter­net­ab­hän­gig­keit auf Basis der LCA (Häu­fig­keit von Klas­se 6), Alter 14–16 (n=693)


Prä­va­lenz

(%)

Kon­fi­denz­in­ter­vall

(%)

Gesamt

4,0

2,7–5,7

Frau­en

4,9

2,8–8,5

Män­ner

3,1

1,8–5,3

Bei Betrach­tung der zuerst genann­ten Haupt­ak­ti­vi­tä­ten im Inter­net zeigt sich erneut, dass bei bei­den Geschlech­tern die Sozia­len Netz­wer­ke im Vor­der­grund ste­hen, die­se bei den Mäd­chen und Frau­en aber noch häu­fi­ger genannt wer­den (Tabel­le 9). Hin­ge­gen spie­len Jun­gen und Män­ner deut­lich häu­fi­ger Online­spie­le. Ins­ge­samt unter­schei­den sich auch hier die Prä­fe­ren­zen signi­fi­kant von ein­an­der (<0,001). Eini­ge der in Tabel­le 4 genann­ten Akti­vi­tä­ten der männ­li­chen Teil­neh­mer tau­chen hier nicht mehr auf. Die Schät­zung auf Basis der LCA führt somit zu einer stär­ke­ren Fokus­sie­rung auf die Haupt­ak­ti­vi­tä­ten Sozia­le Netz­wer­ke und Online­spie­len, was zusätz­lich für die Vali­di­ät des LCA-Ansat­zes spre­chen mag.

Tabel­le 9: Ers­te Nen­nung bei den Haupt­ak­ti­vi­tä­ten im Inter­net der 14–24-Jährigen der Klas­se 6 der LCA nach Geschlecht


Akti­vi­tä­ten online

Häu­fig­keit (%)

Kon­fi­denz­in­ter­vall

Weib­lich

Sozia­le Netzwerke

77,1

52,8–91,0

E‑Mail

11,7

2,7–39,3

Online­spie­le

7,2

1,5–28,3

Unter­hal­tung (Musik, Fil­me etc.)

4,0

0,5–24,5

Männ­lich

Sozia­le Netzwerke

64,8

9,1–27,4

Online­spie­le

33,6

2,3–16,7

Inter­net­te­le­fo­nie

1,5

0,5–1,3

Ergän­zend zur Klas­se 6, die als abhän­gig ange­se­hen wer­den kann, las­sen sich Prä­va­lenz­ra­ten zur Klas­se 5 ange­ben, die ver­mut­lich einen pro­ble­ma­ti­schen Inter­net­ge­brauch auf­weist. Die ent­spre­chen­den Daten fin­den sich in den Tabel­len 10 bis 12. Ins­ge­samt sind die jewei­li­gen Antei­le deut­lich höher als bei der Abhän­gig­keit. Es zei­gen sich erneut höhe­re Raten bei den jün­ge­ren Stich­pro­ben und das Über­wie­gen der weib­li­chen Per­so­nen in den jun­gen Altersgruppen.

Tabel­le 10: Prä­va­lenz­schät­zung des pro­ble­ma­ti­schen Inter­net­ge­brauchs auf Basis der LCA (Häu­fig­keit von Klas­se 5), Alter 14–64 (n=15.023)


Prä­va­lenz

(%)

Kon­fi­denz­in­ter­vall

(%)

Gesamt

4,6

4,2–5,1

Frau­en

4,4

3,9–5,0

Män­ner

4,9

4,3–5,5

Tabel­le 11: Prä­va­lenz­schät­zung des pro­ble­ma­ti­schen Inter­net­ge­brauchs auf Basis der LCA (Häu­fig­keit von Klas­se 5), Alter 14–24 (n=2.937)


Prä­va­lenz

(%)

Kon­fi­denz­in­ter­vall

(%)

Gesamt

13,6

12,4–14,8

Frau­en

14,8

13,0–16,8

Män­ner

12,4

10,4–14,7

Tabel­le 12: Prä­va­lenz­schät­zung des pro­ble­ma­ti­schen Inter­net­ge­brauchs auf Basis der LCA (Häu­fig­keit von Klas­se 5), Alter 14–16 (n=693)


Prä­va­lenz

(%)

Kon­fi­denz­in­ter­vall

(%)

Gesamt

15,4

12,8–18,5

Frau­en

17,2

13,2–22,2

Män­ner

13,7

10,5–17,7

5. Diskussion der Ergebnisse‌

Die in der PIN­TA-Stu­die gefun­de­nen Prä­va­lenz­schät­zun­gen lie­gen unter­halb der bis­her zur Ver­fü­gung ste­hen­den Daten von Hahn und Jeru­sa­lem (2001), die auf Basis eines Gele­gen­heits­sam­ples im Rah­men einer Online­be­fra­gung eine Rate von 3,2% gefun­den haben. Die Schät­zun­gen der vor­lie­gen­den Stich­pro­be lie­gen zwi­schen 1% und 1,5%. Der höhe­re Wert wur­de bei Zugrun­de­le­gung eines Cut-offs aus einer ande­ren Stu­die (Van Rooij et al., 2011) gefun­den. Die­se Schät­zung hat fol­gen­de Feh­ler­quel­len: Es han­delt sich bei der Ver­gleichs­stu­die um ein Sam­ple, das auf 13- bis16-jäh­ri­ge Schü­ler begrenzt ist. Wei­ter­hin ging es hier um die Erfas­sung von Online­spiel­ab­hän­gig­keit. Die Über­trag­bar­keit ist daher ein­ge­schränkt. Dar­über hin­aus ist eine Prä­va­lenz­schät­zung auf­grund eines Scree­ning­ver­fah­rens immer mit einer hohen Feh­ler­ra­te ver­bun­den. Ins­be­son­de­re bei gerin­ger Prä­va­lenz und nied­ri­ger Spe­zi­fi­tät kön­nen deut­li­che Über­schät­zun­gen erfol­gen (Gam­bi­no, 1997). Kor­rek­tu­ren durch For­meln, die Sen­si­ti­vi­tät und Spe­zi­fi­tät berück­sich­ti­gen, wie ursprüng­lich geplant, waren in die­sem Fall nicht mög­lich. Der Grund liegt dar­in, dass die­se bei­den Vali­di­täts­ma­ße zwar aus Ant­wort­wahr­schein­lich­kei­ten der LCA in der Stu­die von Van Rooij et al. hät­ten berech­net wer­den kön­nen, es aber ein Zir­kel­schluss gewe­sen wäre, da aus glei­cher Ana­ly­se auch die auf­fäl­li­ge Klas­se berech­net wur­de. Es fehlt ein Außenkriterium.

Der zwei­te Ansatz der vor­lie­gen­den Stu­die konn­te eine Klas­se auf Basis der LCA iden­ti­fi­zie­ren, wel­che mit hoher Wahr­schein­lich­keit eine Grup­pe von Inter­net­ab­hän­gi­gen dar­stellt. Dafür spricht eine Rei­he von Befun­den, die die­se von den ande­ren Klas­sen unter­schei­det. Die­se Grup­pe wies die höchs­ten Wer­te in der CIUS auf, ver­brach­te die meis­te Zeit im Internet,

zeig­te weni­ger sozia­le Akti­vi­tä­ten, emp­fand weni­ger sozia­les Ver­trau­en und war eher jung. Eine zwei­te Grup­pe hob sich eben­falls ab und kann als pro­ble­ma­tisch im Hin­blick auf das Inter­net­ver­hal­ten betrach­tet wer­den. Die­ses Vor­ge­hen hat fol­gen­de Feh­ler­quel­len: 1. Die Grup­pen­bil­dung basiert allein auf der CIUS. Merk­ma­le, die hier nicht ent­hal­ten sind, fin­den kei­ne Berück­sich­ti­gung. 2. Auch wenn eine Rei­he von Kri­te­ri­en genutzt wur­de, um das am bes­ten geeig­ne­te Modell zu fin­den, besteht immer ein gewis­ser inter­pre­ta­ti­ver Spiel­raum. Zusam­men genom­men fehlt auch hier eine exter­ne Validierung.

Ins­ge­samt wird eher davon aus­ge­gan­gen, dass die Schät­zung auf Basis der LCA näher an der wah­ren Prä­va­lenz liegt, da die Feh­ler­quel­len bei der ande­ren Schät­zung gene­rell als deut­lich grö­ßer ein­ge­schätzt wer­den müs­sen. Für die Gesamt­grup­pe lie­gen die Schät­zun­gen auch weit von ein­an­der entfernt.

Bezo­gen auf die Pro­jekt­zie­le ist es klar gelun­gen, eine genaue­re Abschät­zung der Prä­va­lenz zu ermög­li­chen. Der ein­deu­ti­ge Vor­teil ist die Basis einer gro­ßen und reprä­sen­ta­ti­ven Stich­pro­be, die zudem neben der Fest­netz­stich­pro­be auch Per­so­nen beinhal­tet, die nur durch mobi­le Tele­fo­ne erreich­bar ist.

Bei Betrach­tung der Alters­grup­pen und der Ver­tei­lung inner­halb der Geschlech­ter ist auf­fäl­lig, dass in den jun­gen Alters­grup­pen die Prä­va­lenz­ra­ten der Mäd­chen die der Jun­gen über­steigt. Ver­gli­chen mit frü­he­ren Befun­den (Hahn & Jeru­sa­lem, 2001; Peter­sen et al., 2010) war dies nicht erwart­bar. Der Befund ist umso auf­fäl­li­ger, da die­ser Trend bei bei­den Schät­zun­gen nach den unter­schied­li­chen metho­di­schen Vor­ge­hens­wei­sen gefun­den wur­de. Eben­so fin­det sich dies in der LCA auch für die zwei­te auf­fäl­li­ge Klas­se, deren Inter­net­nut­zung als pro­ble­ma­tisch ange­se­hen wer­den kann. Betrach­tet man die jewei­lig Auf­fäl­li­gen in der Grup­pe der 14- bis 24-Jäh­ri­gen, so fin­det man Unter­schie­de in den Prä­fe­ren­zen der Inter­net­ak­ti­vi­tä­ten. Zwar wird von bei­den Grup­pen am häu­figs­ten ange­ge­ben, dass Sozia­le Netz­wer­ke genutzt wer­den, die­ses ist jedoch beson­ders aus­ge­prägt bei weib­li­chen Per­so­nen, die hin­ge­gen eher sel­ten Online­spie­le nut­zen. Ins­ge­samt und gera­de für die­se uner­war­te­ten Befun­de bei den jun­gen weib­li­chen Pro­ban­den wird in zukünf­ti­gen Stu­di­en zu klä­ren sein, ob die gefun­de­nen Auf­fäl­lig­kei­ten tat­säch­lich im Sin­ne einer Stö­rung zu ver­ste­hen sind, für die Hil­fe benö­tigt wird. Dazu ist es not­wen­dig ver­tie­fen­de Inter­views zu füh­ren, die die kli­ni­sche Bedeut­sam­keit auf der Ebe­ne der Sym­pto­me und Kri­te­ri­en wie auch der damit ver­bun­de­nen Beein­träch­ti­gun­gen erfassen.

6. Gender Mainstreaming Aspekte‌

Es konn­ten durch die Reprä­sen­ta­ti­vi­tät der Stich­pro­be und die jeweils getrenn­ten Ana­ly­sen für Frau­en und Män­ner Aspek­te des Gen­der Main­strea­mings in vol­lem Aus­maß berück­sich­tigt werden.

7. Gesamtbeurteilung‌

Die Vor­ha­ben­zie­le wur­den voll erreicht. Ins­be­son­de­re konn­te die sta­tis­tisch auf­wän­di­ge LCA genutzt wer­den, die metho­disch eine genaue­re Schät­zung der Prä­va­lenz ermög­lich­te. Die Ver­zö­ge­run­gen im Pro­jekt­ab­lauf durch die­se Ana­ly­se und durch die Hin­zu­nah­me der Stich­pro­be, die nur über Mobil­te­le­fon erreich­bar ist, sind durch den jewei­li­gen metho­di­schen Gewinn klar zu rechtfertigen.

8. Verbreitung und Öffentlichkeitsarbeit der Projektergebnisse‌

Auf­grund der sehr kur­zen Lauf­zeit des Pro­jek­tes konn­te bis­lang kei­ne brei­te Publi­ka­ti­ons­ak­ti­vi­tät erfol­gen. Dies ist für die kom­men­de Zeit geplant. Geplant sind bereits Vor­stel­lun­gen auf dem Sucht­kon­gress in Frank­furt (28.09–01.10.2011) sowie beim Wis­sen­schaft­li­chen Gespräch der Deut­schen Gesell­schaft für Sucht­for­schung und Sucht­the­ra­pie (DG-Sucht) in Lübeck (02.–04.12.2011). Eine Vor­stel­lung im Kri­mi­no­lo­gi­schen For­schungs­in­sti­tut in Han­no­ver ist bereits erfolgt. Publi­ka­tio­nen in Fach­zeit­schrif­ten sol­len folgen.

9. Verwertung der Projektergebnisse (Nachhaltigkeit/Transferpotential)‌

Die Ergeb­nis­se wei­sen auf hohe Raten pro­ble­ma­ti­schen oder sucht­haf­ten Inter­net­ge­brauchs in jun­gen Alters­grup­pen und hier ins­be­son­de­re unter weib­li­chen Per­so­nen hin. Um ein­schät­zen zu kön­nen, ob hier ein beson­de­rer Bedarf für Prä­ven­ti­on oder Behand­lungs­an­ge­bo­te besteht, ist eine wei­te­re Abklä­rung die­ser ers­ten Befun­de in einer detail­lier­ten Fol­ge­stu­die drin­gend geboten.

10. Publikationsverzeichnis Vorträge‌

Rumpf, H. J., Mey­er, C. & John, U. (2011). Prä­va­lenz der Inter­net­ab­hän­gig­keit (PINTA), Kri­mi­no­lo­gi­sches For­schungs­in­sti­tut Nie­der­sach­sen. Han­no­ver, 09.05.2011.Rumpf, H. J., Mey­er, C. & John, U. (2011). Prä­va­lenz der Inter­net­ab­hän­gig­keit (PINTA): Ergeb­nis­se und Aus­blick, Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Gesund­heit. Ber­lin, 07.04.2011.

11. Literatur‌

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