Zwei Kinder unterschiedlichen Alters sitzen Rücken an Rücken und benutzen Smartphones.

Studie sieht deutlichen Anstieg: Pandemie verstärkt Mediensucht bei Kindern

Geschlos­se­ne Schu­len, ein­ge­schränk­te Frei­zeit­mög­lich­kei­ten: Kin­der und Jugend­li­che trifft die Coro­na-Pan­de­mie schwer. Vie­le ver­trei­ben sich die Zeit mit Social Media oder Video­spie­len. Dar­aus resul­tiert ein Anstieg von Nut­zern mit Sucht­ver­hal­ten, zeigt eine Stu­die — mit schwer­wie­gen­den Folgen.

Im Bereich Com­pu­ter­spie­le hat sich dem­nach die Zahl der Betrof­fe­nen mit Sucht­ver­hal­ten von rund 144.000 im Jahr 2019 auf 219.000 in die­sem Jahr erhöht, bei der Nut­zung von Social-Media-Platt­for­men wie Tik­tok, Snap­chat, Whats­app oder Insta­gram von 171.000 auf 246.000, geht aus den Stu­di­en­ergeb­nis­sen der DAK hervor.

“Der Anstieg der Medi­en­sucht ist vor allem auf die wach­sen­de Zahl patho­lo­gi­scher Nut­zer unter den Jun­gen zurück­zu­füh­ren”, sag­te Stu­di­en­lei­ter Rai­ner Tho­ma­si­us vom DZSKJ des Uni­ver­si­täts­kli­ni­kums Ham­burg-Eppen­dorf. Er warn­te vor den Fol­gen durch die Ver­nach­läs­si­gung von Akti­vi­tä­ten, Fami­lie, Freun­den und einen ver­scho­be­nen Tag-Nacht-Rhyth­mus. “Da per­sön­li­che, fami­liä­re und schu­li­sche Zie­le in den Hin­ter­grund tre­ten, wer­den alters­ty­pi­sche Ent­wick­lungs­auf­ga­ben nicht ange­mes­sen gelöst. Ein Still­stand in der psy­cho­so­zia­len Rei­fung ist die Fol­ge.” Tho­ma­si­us warb für eine “kon­ti­nu­ier­li­che wis­sen­schaft­li­che Erfas­sung” und Prä­ven­tiv- und Therapieangebote.

“Signifikante Beeinträchtigungen”

Eine krank­haf­te oder patho­lo­gi­sche Nut­zung sehen die Exper­ten, wenn bei Betrof­fe­nen ein Kon­troll­ver­lust, eine “Prio­ri­sie­rung gegen­über ande­ren Akti­vi­tä­ten” und eine Fort­set­zung der Nut­zung trotz nega­ti­ver Kon­se­quen­zen zu beob­ach­ten ist. “Das Ver­hal­ten besteht in der Regel über einen Zeit­raum von min­des­tens 12 Mona­ten. Hier­aus resul­tie­ren signi­fi­kan­te Beein­träch­ti­gun­gen in per­sön­li­chen, sozia­len und schu­lisch-beruf­li­chen Lebens­be­rei­chen.” Patho­lo­gi­sche Spie­ler und Social-Media-Nut­zer zocken oder chat­ten der Stu­die zufol­ge vier oder mehr Stun­den am Tag.

Grund­la­ge der Unter­su­chung ist eine wie­der­hol­te Befra­gung von Eltern und Kin­dern durch das Mei­nungs­for­schungs­in­sti­tut For­sa. Die ers­te fand im Herbst 2019 vor der Pan­de­mie statt, die zwei­te zur Zeit der ers­ten Schul­schlie­ßun­gen im Früh­jahr 2020, eine wei­te­re im Novem­ber 2020, bevor die Schu­len erneut geschlos­sen wur­den und die vier­te schließ­lich im Mai und Juni die­ses Jah­res, als Schu­len nach mona­te­lan­gen Schlie­ßun­gen und Wech­sel­un­ter­richt lang­sam wie­der zu einem gewis­sen Nor­mal­be­trieb zurückkehrten.

Die Kin­der und Jugend­li­chen wur­den zur Dau­er und zu ihren Moti­ven für die Nut­zung von Spie­len und Social-Media-Platt­for­men befragt und auch zu mög­li­chen nega­ti­ven Aus­wir­kun­gen, die sie bei sich selbst fest­stel­len, etwa bei der Erle­di­gung von Auf­ga­ben, bei den Schul­no­ten, im Ver­hält­nis zu Freun­den oder Fami­li­en­mit­glie­dern. Schon in den ers­ten Befra­gun­gen, die bereits ver­öf­fent­licht wur­den, war deut­lich gewor­den, dass Kin­der und Jugend­li­che wäh­rend Coro­na viel mehr Zeit am Han­dy, am Com­pu­ter oder an der Spiel­kon­so­le ver­brach­ten: Vor­her waren es an Wochen­ta­gen knapp zwei Stun­den auf Insta­gram, Snap­chat, Tik­tok oder ande­ren Plattformen. 

Nutzung deutlich über Niveau von 2019

Die Nut­zungs­zei­ten bei Spie­len und Social Media unter der Woche und auch am Wochen­en­de lägen immer noch “deut­lich über dem Vor­kri­sen­ni­veau”, sag­te Tho­ma­si­us. Es wer­de eine wei­te­re Befra­gung im kom­men­den Jahr ange­strebt. Die­se könn­te zei­gen, ob Coro­na dau­er­haf­te Spu­ren im Nut­zungs­ver­hal­ten hin­ter­las­sen hat. 

Der Prä­si­dent des Berufs­ver­bands der Kin­der- und Jugend­ärz­te, Tho­mas Fisch­bach, zeig­te sich pes­si­mis­tisch. “Gera­de für Kin­der und Jugend­li­che mit bereits davor ris­kan­ter Medi­en­nut­zung waren die Lock­downs ein erheb­li­cher gesund­heit­li­cher Gefähr­dungs­fak­tor, der den Über­gang in eine patho­lo­gi­sche Medi­en­nut­zung qua­si kata­ly­siert hat.” Es sei zu befürch­ten, dass sich die­se Fehl­ent­wick­lung auch nach Ende der Pan­de­mie nicht ein­fach voll­stän­dig rück­ab­wi­ckeln lasse.

Quel­le: ntv.de, mdi/dpa

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