Mediensucht - SFU Sigmund Freud Privatuniversität Institut für Verhaltenssüchte

Mediensucht — Phänomenologie, Therapeutische und präventive Ansätze

Inhalte

• Sucht Im All­ge­mei­nen
• Medi­en & Sucht
• Ursa­chen oder Quel­len
• Prä­ven­ti­on und Therapie

Kompetenzen

• Auf­bau sozia­ler Kon­tak­te
• Koope­ra­ti­ons- und Team­fä­hig­keit
• Schu­lung von Reak­ti­ons­ge­schwin­dig­keit
• Schu­lung Auf­merk­sam­keits­fo­kus­sie­rung bei Spie­len
• Erle­ben von Selbst­wirk­sam­keit und Autonomie

Die Suchtspirale ….

Mediensucht - Suchtspierale SFU Sigmund Freud Privatuniversität Institut für Verhaltenssüchte

Suchtverhalten als Problemlösungsversuch

„Mediensucht“ als Sammelbegriff

Medien – Alltag, Faszination & Sucht

Mediensucht - SFU Sigmund Freud Privatuniversität Institut für Verhaltenssüchte

Klassifikation

  • ICD-10 und DSM‑V beinhal­ten kei­ne fixen Kri­te­ri­en für Ver­hal­tens­süch­te im Allgemeinen
  • Mög­lich­keit sie als „Gewohn­hei­ten und Stö­run­gen der Impuls­kon­trol­le“ (F. 63.8) einzuordnen
  • Seit Mit­te 2018 ist “Gaming dis­or­der “ (Computerspielsucht)als Krank­heit klas­si­fi­zier­bar. Im ICD-11 im Bereich der men­ta­len, Ver­hal­tens- und Neu­ro­ent­wick­lungs­stö­run­gen eingeordnet.
  • Im DSM‑5 wur­de die „Inter­net Gaming Dis­or­der“ als ein eigen­stän­di­ges Stö­rungs­bild — “emp­foh­len für wei­te­re Unter­su­chun­gen” — aufgenommen

„Gaming Disorder“ (ICD-11)

Nut­zungs­ver­hal­ten gekenn­zeich­net durch

  1. ver­min­der­te Kon­trol­le über die Verhaltensausführung
  2. über­höh­te Bedeu­tung des Spie­lens, wel­ches ande­re Inter­es­sens­fel­der und All­tags­ak­ti­vi­tä­ten verdrängt
  3. fort­ge­führ­te Nut­zung trotz damit zusam­men­hän­gen­der nega­ti­ver Fol­gen Sym­pto­me hal­ten über einen Zeit­raum von 12 Mona­ten an. Dia­gno­se kann in begrün­de­ten Fäl­len auch frü­her gestellt werden.

„Internet Gaming Disorder“ (vorläufige Kriterien DSM‑5)

  1. Com­pu­ter­spiel­nut­zung als domi­nie­ren­de Beschäftigung
  2. Ent­zugs­sym­pto­me bei Konsumverhinderung
  3. Tole­ranz­ent­wick­lung
  4. Kon­troll­ver­lust
  5. Inter­es­sen­ver­lust
  6. Fort­füh­rung des Kon­sums trotz nega­ti­ver Konsequenzen
  7. Ver­heim­li­chung des Nutzungsausmaßes
  8. Emo­ti­ons­re­gu­la­ti­on durch die Computerspielnutzung
  9. Gefähr­dung wich­ti­ger zwi­schen­mensch­li­cher Beziehungen

Zur Dia­gno­se­stel­lung müs­sen min­des­tens 5 von 9 Kri­te­ri­en in den letz­ten 12 Mona­ten erfüllt wor­den sein.

Online Inhalte / Verhaltensweisen

• Online Com­pu­ter­spie­le
• Online Glück­spie­le
• Ziel­lo­ses Sur­fen
• Online Por­no­gra­phie
• Sozi­al Media
• Online Shop­ping
• Streaming/ Vide­os
• Sam­meln von Infor­ma­tio­nen
• ….

Prävalenz und psychosoziale Korrelate von Internet Gaming Disorder

Stu­die auf der Grund­la­ge einer bevöl­ke­rungs­re­prä­sen­ta­ti­ven Stich­pro­be von 12- bis 25-Jäh­ri­gen Lutz Wart­berg, Leven­te Kris­ton, Rai­ner Thomasius

  • In der pri­mä­ren Ana­ly­se ergab sich eine Prä­va­lenz­schät­zung von 5,7 % für Inter­net Gaming Dis­or­der in der Alters­grup­pe der 12- bis 25-Jäh­ri­gen in Deutsch­land und in der Sen­si­ti­vi­täts­ana­ly­se (mit mul­ti­plen Impu­ta­tio­nen feh­len­der Wer­te) stieg die Prä­va­lenz­schät­zung auf 7,0 %.
  • Für männ­li­che Befrag­te (8,4 %) zeig­te sich eine deut­lich höhe­re Prä­va­lenz­schät­zung für Inter­net Gaming Dis­or­der als für weib­li­che (2,9%).
  • Sta­tis­tisch signi­fi­kan­te Zusam­men­hän­ge wur­den zwi­schen Inter­net Gaming Dis­or­der und männ­li­chem Geschlecht, nied­ri­ge­rem Lebens­al­ter, höhe­rer Depres­si­vi­tät, höhe­rer Ängst­lich­keit und häu­fi­ge­rer Ver­nach­läs­si­gung sozia­ler Kon­tak­te wegen der Com­pu­ter­spiel­nut­zung beobachtet.

EISBERGMODELL

EISBERGMODELL-Sucht - SFU Sigmund Freud Privatuniversität Institut für Verhaltenssüchte

Medi­en und Attrak­ti­vi­tät
• Zuge­hö­rig­keit
• Aner­ken­nung
• Ver­pflich­tung
• Selbst­dar­stel­lung

Virtuelle Identität

Nick­na­me, Ava­tare, Charaktere

Vir­tu­el­les Lebensgefühl

  • wähl- und veränderbar

Expe­ri­men­tie­ren mit Identität

  • Nor­mal­ent­wick­lung bei Jugendlichen
  • Peer­grup­pe Ver­bin­dung und Autonomie

Es geht um …

  • Flow Erle­ben
  • Unter­hal­tung
  • Iden­ti­täts­wech­sel und Spie­len mit Identität
  • Sozia­le Kontakte
  • Zuge­hö­rig­keit und Anerkennung
  • Stim­mungs­ma­nage­ment
  • Bedürf­nis­be­frie­di­gung

Besonders gefährdet sind Menschen mit

  • Affek­ti­ven und Angststörungen
  • Depres­si­vi­tät
  • Auf­merk­sam­keits­de­fi­zit-Hyper­ak­ti­vi­täts­stö­run­gen (ADHS)
  • über­höht aus­ge­präg­tem Neu­ro­ti­zis­mus (d.h. hohe Ängst­lich­keit, über­stei­ger­te Stress­an­fäl­lig­keit, nega­ti­ves Selbstbild)
  • deut­lich ver­min­der­ter Extra­ver­si­on (star­ke Rück­zugs­ten­den­zen und hohe sozia­le Kränkbarkeit)

„Mediensucht“ und Prävention — Im Besonderen

Medien als …

  • Ruhig­stel­ler
  • Emo­ti­ons­re­gu­lie­rer
  • Kom­mu­ni­ka­ti­ons­er­satz

„Wir brau­chen unse­re Kin­der nicht erzie­hen, sie machen uns sowie­so alles nach.“
Karl Valen­tin

Mediennutzung < > Medienkonsum

Erlebte Risiken bei Kinder und Jugendlichen

Erlebte-Risiken-bei-Kinder-und-Jugendlichen - Siegmund Freud Privatuniversität Institut für Verhaltenssüchte

Dem­nach haben „46 Pro­zent der 8- bis 14-Jäh­ri­gen den gan­zen Tag ein Han­dy oder Smart­pho­ne bei sich, 38 Pro­zent haben das Gerät zumin­dest die Hälf­te des Tages in Reich­wei­te. 64 Pro­zent der Kin­der und Jugend­li­chen ver­fü­gen über ein Mobil­funk­ge­rät mit Inter­net­zu­gang, bei den 13- und 14-Jäh­ri­gen sind es bereits 86 Pro­zent. Mehr als ein Fünf­tel aller Kin­der und Jugend­li­chen im Alter zwi­schen 8 und 14 Jah­ren weist eine „sehr star­ke Bin­dung“ zu ihrem Smart­pho­ne oder Han­dy auf. Etwa 8 Pro­zent attes­tier­ten die For­scher eine Art Sucht­ge­fähr­dung. Wich­tigs­te Appli­ka­ti­on ist der Instant Mes­sen­ger Whats­App. 72 Pro­zent der 8- bis 14-Jäh­ri­gen gaben an, die­se App mehr­mals täg­lich zu nut­zen. 32 Pro­zent über­prü­fen ein­mal pro Tag ihre Facebook-Seite.“

„Mit stei­gen­dem Alter wird das Han­dy immer rele­van­ter und zu einem Teil der Men­schen selbst“.

„Die Furcht, etwas Wich­ti­ges zu ver­pas­sen (Fear of Mis­sing out), för­dert bei Jugend­li­chen eine oft unkon­trol­lier­te und risi­ko­rei­che Nut­zung von Online-Anwendungen.“

„Dr. Karin Knop vom Insti­tut für Medi­en- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaft der Uni­ver­si­tät Mann­heim berich­te­te, 15 Pro­zent der befrag­ten Eltern ver­zich­te­ten auf jeg­li­che Han­dy-Erzie­hung. Meist beschrän­ke sich die Medi­en­päd­ago­gik in Fami­li­en auf Ver­bo­te oder Höchst­gren­zen für die Smart­pho­ne-Nut­zung. Sel­ten erfol­ge eine akti­ve Erziehung. …

Knop erläu­ter­te, dass über den Umgang von Her­an­wach­sen­den mit der mobi­len Inter­net­nut­zung nicht nur expli­zi­te Erzie­hungs­maß­nah­men ent­schei­den, son­dern auch die Medi­en­nut­zung der Eltern und die Bezie­hungs­qua­li­tät zwi­schen ihnen und den Kin­dern. „Unsi­che­re Bin­dun­gen kön­nen zur ris­kan­te­ren Nut­zung füh­ren“, warn­te die Medienwissenschaftlerin. …

Nur wer dem Always-online- Trend eine ver­trau­ens­vol­le Bezie­hung ent­ge­gen­set­ze, kön­ne auch die Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung von Jugend­li­chen posi­tiv in dem Sin­ne beein­flus­sen, dass Selbst­kon­trol­le und Refle­xi­ons­ver­mö­gen zu einem sinn­vol­len Smart­pho­ne-Umgang beitragen.“

Quel­le: Always online und doch allein? LfM-Fach­ta­gung: Wie Kin­der und Jugend­li­che das Smart­pho­ne nut­zen,
01.10.2015, Düs­sel­dorf

„Mediensucht“ und Prävention — Im Allgemeinen

Entwicklung des Kindes von 0 – 6 Jahren

Bin­dung„Es ist gut zu sein.“( 0 – 15 Monate)
Explo­ra­ti­on„Es ist gut zu erforschen.“(15 – 30 Monate)
Iden­ti­tät„Es ist gut Du zu sein.“(30 – 48 Monate)
Kom­pe­tenz„Es ist gut stark zu sein.“(48 – 72 Monate)

Kinder und…

  • Selbst­ver­trau­en
  • Ver­ant­wor­tung und Verpflichtungen
  • Gren­zen und Regeln
  • Ent­täu­schun­gen und Misserfolge
  • Kon­flik­te
  • Gefüh­le und Bedürfnisse
  • Krea­ti­vi­tät und Fantasie

Therapeutische Ansätze

  1. Moti­va­ti­ons­klä­rung
  2. Rekon­struk­ti­on des Medi­en- und Sucht­ver­hal­tens. Wel­che Bedeu­tung hat das Ver­hal­ten für die betrof­fe­ne Person?
  3. Distan­zie­rung vom sucht­för­dern­den Medi­um. Auf­bau eigen­ver­ant­wort­li­cher Wege der sozia­len Kontrolle.
  4. Risi­ko­pro­phy­la­xe und Bear­bei­ten von Rückfällen
  5. Ein­bin­dung der Angehörigen.
  6. Grup­pen (Ange­hö­ri­ge, Betroffene)

Auswege

Um gesund wer­den zu kön­nen, muss der Betrof­fe­ne an sei­ne Ver­let­zun­gen herankommen.

Wie­der­ent­de­ckung und Wahr­neh­mung der eige­nen Bedürf­nis­se und Fähigkeiten.

Das Sucht­ver­hal­ten ist viel­leicht ver­gleich­bar mit einer Krü­cke für ein belas­te­tes Bein! Die Krü­cke schwächt mit der Zeit die Kon­sti­tu­ti­on des Bei­nes. Ein Gehen und Ste­hen wird gar nicht mehr mög­lich ohne sie.

In der The­ra­pie geht es dar­um, sowohl die Funk­ti­on der Krü­cke zu ver­ste­hen als auch die Ver­let­zung, den Schmerz oder die Schwä­che, die im Bein liegt, auf­zu­de­cken — und zu heilen.

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